#2 – Vitamin B12

Titel
How common is vitamin B-12 deficiency?

Autoren
Lindsay H. Allen

Quelle
The American Journal of Clinical Nutrition 89(suppl) (2009) 693S-696S

DOI/URL
http://dx.doi.org/10.3945/ajcn.2008.26947A

Stichwörter: B12, nutrition, diet, food

#2 — Vitamin B12

Vom Mikro- zum Makroorganismus

Vitamin B12 ist ein cobalthaltiger Komplex (Cyanocobalamin) der im Körper zum Coenzym B12 (Adenosylcobalamin) umgewandelt wird und an der Zellteilung, Blutbildung und der Funktion des Nervensystems beteiligt ist. Vitamin B12 kann weder von Menschen, Tieren noch Pflanzen selbst hergestellt werden, sondern nur von Mikroorganismen wie Bakterien. Diese Bakterien sind normaler Teil des Verdauungstrakts von Menschen und Tieren, jedoch wird das so produzierte Vitamin B12 überweigend mit dem Stuhl ausgeschieden. Das bedeutet, dass Menschen und Tiere ihren Vitamin B12 Bedarf ausschliesslich über Ernährung decken müssen.

Die empfohlene Zufuhr von Vitamin B12 für Erwachsene beträgt in den USA 2.4 µg am Tag, in Deutschland 3 µg am Tag2. In der grossen EPIC Studie3 im Vereinigten Königreich wurde eine durchschnittle tägliche Zufur von 0.4 µg bei Veganern festgestellt, 2.4 µg bei Ovo-Lacto-Vegetariern, 5.0 µg bei Vegetariern die zusätzlich Fisch essen, und 7.2 µg für Allesesser. Inbesondere Veganer und Vegatarier sind deshalb einem erhöhten Risiko von Vitamin B12 Mangel ausgesetzt. Leider gibt es nur wenig Daten über den Zusammenhang zwischen dem Vitamin B12 Gehalt von Lebensmitteln, deren Zubereitungsweise und der tatsächlichen Menge Vitamin B12, welches schlussendlich ins Blutplasma gelangt. Es wird davon ausgegangen, dass mindestens 1.5 µg Vitamin B12 am Tag eingenommen werden müssen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden4.

Von einer Vitamin B12 Defizienz spricht man, wenn die Konzentration des Vitamins im Blutplasma unter 200 pg/mL (0.2 µg/L) sinkt. Da unter anderem das Nervensystem von einem Mangel betroffen ist, können die Symptome einer Defizienz sehr vielseitig sein, z.B. vermindertes Denkvermögen, Depressionen oder Reizbarkeit5. Zusammen mit Folsäure ist Vitamin B12 dafür verantwortlich, die Menge an Homocystein im Blut zu regeln. Ein längerfristiger Mangel an Vitamin B12 kann deshalb zu erhöhten Homocystein-Werten führen (Hyperhomocysteinämie), was ein Risikofaktor für Arteriosklerose, Herzerkrankungen, Demenz und Alzheimer ist6.

Kann man den Vitamin B12 Bedarf decken, indem man ab und zu Nahrung mit besonders viel Vitamin B12 isst? Nur bedingt. Die Aufnahme von Vitamin B12 im Dünndarm wird mit zunehmender Dosis deutlich weniger effizient. Bei einer Zufuhr von mehr als 25 µg Vitamin B12 wird lediglich 1% davon vom Körper aufgenommen durch passive Diffusion, also überwiegend ohne Beteiligung der aktiven Rezeptoren im Darm. Somit steigt die Absorption von Vitamin B12 im Körper bei einer Einnahme von mehr als 10 µg am Tag kaum noch an (Abbildung 1).

allen_2008_2009
Vom Körper absorbiertes Vitamin B12 in % (linke Achse, blaue Kurve) und in µg (rechte Achse, orange Kurve) sowie der Vitamin B12 Gehalt einiger Lebensmittel (untere Achse).
Quellen: Allen (2009) und Allen (2008)4

Abbildung 1 zeigt ebenfalls den typischen Gehalt an Vitamin B12 in verschiedenen Lebensmitteln und wieviel davon vom Körper absorbiert werden kann. Ein 30 g Schnitz Cheddar-Käse enthält ca. 0.2 µg Vitamin B12 welches vom Körper zu über 70% absorbiert werden kann. Ein einziges gekochtes Hühnerei enthält ca. 0.6 µg Vitamin B12, wovon gut 60% vom Körper absorbiert wird. Gekochter Kabeljau (85 g) enthält ca. 0.9 µg, gleich viel wie 230 mL Kuhmilch. 85 g gehacktes Rindfleisch enthält etwa 2.3 µg Vitamin B12, wovon allerdings weniger als die Hälfte vom Körper aufgenommen wird da die Rezeptoren im Dünndarm so viel Vitamin B12 nicht auf einmal verarbeiten können. Gekochte Rindsleber (85 g) hat einen Vitamin B12 Gehalt von ca. 95 µg, hiervon stehen dem Körper aber lediglich etwa 1.5 µg zur Verfügung.

Auf dieser Grundlage ist es verständlich, dass vor allem Personen mit veganer oder vegetarischer Ernährung nicht ohne Weiteres die empfohlene Tagesdosis von 3 µg erreichen. Dies wurde auch weitgehend in Ländern mit Mangelernährung wie Guatemala oder traditionell vegetarischen Kulturen wie Indien dokumentiert6, und die ernährungswissenschaftliche Gemeinschaft ruft in solchen Fällen allgemein zur Einnahme von Vitamin B12 Nahrungsergänzungspräparaten auf. Weiterhin wird vermutet, dass biologisch angebautes Blattgemüse wie Salat, Petersilie oder Spinat mehr Vitamin B12 enthält als anders angebautes Gemüse, da bei der biologischen Landwirtschaft der zum Düngen eingesetzte Mist die nötigen Mikroorganismen zur Herstellung des Vitamins enthält, im Gegensatz zu synthetischen Düngemitteln5.

Ein besonderes Risiko ist bei Säuglingen gegeben, dessen Mütter sich vegan ernähren. Im Gegensatz zur Leber eines Erwachsenen, welche zwischen 1000 und 3000 µg Vitamin B12 speichern und somit eine Unterversorgerung über einige Jahre hinweg abdecken kann, speichert die Leber eines gut genährten Neugeborenen lediglich 25-30 µg des Vitamins4. Diese Menge ist sogar geringer, wenn die Mutter selbst während der Schwangerschaft einen Vitamin B12 Mangel hat. Die Unterversorgung des Säuglings setzt sich dann auch während der Stillzeit fort, denn im Schnitt ist der Vitamin B12 Gehalt in der Muttermilch von vegetarischen Müttern (0.3 µg/L) geringer als bei Allesessern (0.5 µg/L)4. Kuhmilch hat übrigens einen 10-fach höheren Vitamin B12 Gehalt (siehe Abbildung 1). Eine Unterversorgung des Säuglings mit Vitamin B12 kann die geistige und motorische Entwicklung stören, was sich bis ins Kleinkind- und sogar Erwachsenenalter auswirken kann6. Es ist also ratsam, dass werdende Mütter ihr Vitamin B12 mittels einer Blutprobe überprüfen lassen.

Bei älteren Menschen ist hingegen häufig die Absorption von Vitamin B12 aus der Nahrung gestört, was oft auf atrophische Gastritis zurückzuführen ist. Hierbei wird Magensäure ungenügend oder gar nicht ausgeschüttet, inklusive des intrinschen Faktors7 welcher für die Aufnahme von Vitamin B12 verantwortlich ist. Allerdings kann synthetisches (kristallines) Vitamin B12 weiterhin über passive Diffusion aufgenommen werden. Nahrungsergänzungspräparate oder mit Vitamin B12 angereicherte Lebensmittel können deshalb einer Unterversorgung in älteren Menschen entgegenwirken.

Es wird häufig darauf hingewiesen, dass bestimmte Bakterien (Spirulina) oder Algen (Nori, Tang, Chlorella) eine nützliche Quelle von Vitamin B12 für Veganer darstellen. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass die Cobalamine in diesen Lebensmitteln nicht biologisch aktiv sind, da es sich nicht um das eigentliche Vitamin B12 (Cyanocobalamin) handelt sondern um chemische Analoga dazu.4 Diese Analoga können die Aufnahme vom biologisch aktiven Vitamin B12 im Körper stören und somit eine Unterversorgung von Vitamin B12 sogar verstärken4. Bevor man sich also auf solche Nahrungsmittel als Vitamin B12 Spender verlässt, sollte man sie „auf Herz und Nieren“ prüfen.

Quellenangaben
1 https://ods.od.nih.gov/factsheets/VitaminB12-HealthProfessional/#h2
2 https://www.dge.de/wissenschaft/referenzwerte/vitamin-b12/
3 http://www.epic-oxford.org/
4 L.H. Allen, Causes of vitamin B12 and folate deficiency, Food and Nutrition Bulletin 29 (2008) S20-S34, http://dx.doi.org/10.1177/15648265080292S105
5 A.C. Antony, Vegetarianism and vitamin B-12 (cobalamin) deficiency, The American Journal of Clinical Nutrition 78 (2003) 3-6, http://ajcn.nutrition.org/content/78/1/3.short
6 https://de.wikipedia.org/wiki/Intrinsischer_Faktor

2 Gedanken zu „#2 – Vitamin B12

  • 2. November 2016 um 8:11
    Permalink

    Vitamin B als Nahrungsergänzungsmittel empfehlenswerter als Spirulina & Co.?

    Antworten
    • 2. November 2016 um 9:13
      Permalink

      Es ist darauf zu achten, dass die Vitamin-Quelle eine Form des Vitamins enthält, welche biologisch aktiv ist oder vom Körper in eine solche Form umgewandelt werden kann. Biologisch aktiv sind nur Adenosylcobalamin und Methylcobalamin. Eine weitere nützliche Form ist Hydroxocobalamin, welches zwar biologisch inaktiv ist, aber häufig in tierischer Nahrung vorkommt und vom Körper ebenfalls verwertet werden kann. Mehr dazu hier (auf Englisch): http://www.veganhealth.org/b12/mol

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